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In der Arche der Vier: Innerer MONOLOG – Maître Pofrima

PROLOG
(Dunkel. Dann, ganz langsam, steigt ein graues, diffuses Licht auf. Die Stimme ist innerlich, verkörpert, als würden mehrere Kräfte gleichzeitig durch sie hindurch sprechen.)

Es gibt das, was ich sehe.
Was ich berühren, benennen, in den Händen halten kann.
Was ich zu verstehen glaube.

Und dann… gibt es das, was mir entgleitet.
Was sich entzieht, schweigt,
was fehlt und das ich trage, ohne es zu wissen.

Aber da ist auch dieses Brennen,
selbst in der Stille.
Ein gespannter, unsichtbarer Faden,
ein Übergang, den ich spüre, ohne ihn benennen zu können.

Und manchmal, am Rand des Nichts,
taucht etwas auf.
Ein Aufblitzen. Ein Bruch.
Eine Art… anders zu sein.

(Die Stimme wird intensiver, wie von innen durchleuchtet.)

Ich bin gemacht aus diesen vier Kräften.
Vier tiefe Herzschläge.
Vier Gesichter eines verstreuten Körpers.
Weder ganz göttlich, noch wirklich menschlich.
Und doch… da.
Abwesend.
Lebendig.
Unbeugsam.

(Pause. Ein Beben.)

Hier ist die Arche.
Sie ist kein Zufluchtsort,
kein Schutz.
Sie ist eine Schwelle.

Hör zu.

Sie kommen.
Sie sind da.
Sie sprechen zu dir.

#presence_absences_existences_dissidences

Szene 1: Das Erwachen
(Sanftes Licht. Die Figur ist allein – oder scheint allein. Die tiefe Trommel wird zu einem inneren Atem. Die Stimme spricht langsam, wie wenn sie sich selbst entdeckt.)

Etwas bewegt sich…
Dort, in mir.
Vier Kräfte.
Ich habe sie nicht benannt,
und doch… erkenne ich sie.
Sie wohnen in mir.
Sie durchdringen mich.
Sie sind nicht menschlich,
und doch… ähneln sie mir.

Da ist die eine, die sagt:
„Sieh hin. Sprich. Wage es.
Sei da. Ganz.“
Diese spüre ich in meinem Atem,
in meinen Gesten, in meiner Stimme, die das Licht sucht.
Das ist Gegenwart.

Und dann gibt es die, die man kaum hört,
aber die die Stille erfüllt.
Sie gräbt den Raum zwischen zwei Schlägen.
Sie ist die Spur dessen, was nicht mehr ist.
Das ist Abwesenheit.

Weiter hinten grollt eine Kraft.
Sie will nicht schweigen.
Sie erschüttert meine Gewissheiten,
kratzt an meinen Gewohnheiten.
Sie verbrennt die Käfige.
Das ist Widerstand.

Und dann… ist da dieser seltsame Friede,
der weder Sieg noch Zuflucht sucht.
Einfach da sein. Atmen.
Weitergehen.
Das ist Existenz.

Sie sind alle da.
Nicht draußen.
In mir.
Und ich erwache mit ihnen.


Szene 2: Wer bin ich?
(Das Licht wird intimer. Die Figur geht umher, sucht sich selbst. Die innere Stimme zersplittert, als würden verschiedene Atemzüge durch sie wehen.)

Wer bin ich… wirklich?
Ich glaubte es zu wissen.
Doch nun höre ich mich denken mit vielen Stimmen.

Ein Teil von mir erhebt sich, sicher, offen:
„Ich bin da. Ich bin Gegenwart.
Wenn ich spreche, existiere ich.
Wenn man mich sieht, werde ich real.
Ich bin das Gesicht, das ich zeige,
die Hand, die ich reiche,
der Moment, in dem ich sage: Das bin ich.“

Doch sofort flüstert eine andere Stimme:
„Ich bin das, was fehlt.
Ich bin die Leere im Raum,
die Stille nach dem Schrei.
Ich bin der leere Stuhl.
Ich bin Abwesenheit.
Und du spürst mich… jedes Mal, wenn jemand nicht mehr da ist.“

Eine dritte Stimme steigt auf, lebendig, ungeduldig:
„Nein. Du kannst nicht nur da sein oder verschwinden.
Du musst widerstehen. Zerschlagen. Ablehnen.
Ich bin der Widerstand.
Ich bin die störende Stimme.
Die, die Nein sagt – selbst im Ja der anderen.“

Und doch… dahinter umhüllt mich eine vierte Kraft,
sanft, aber hartnäckig:
„Du musst kein Geräusch machen, um zu existieren.
Ich bin da, wenn du erschaffst.
Wenn du schaust, ohne zu verstehen,
wenn du atmest, ohne zu sprechen.
Ich bin Existenz.
Ich bin das bloße… Sein.“

Also frage ich mich…
Bin ich eine von ihnen?
Oder bin ich all das zugleich?
Zerstreut… und doch lebendig.


Szene 3: Der Streit
(Der innere Rhythmus beschleunigt sich. Die Stimme wird konfliktreicher. Die Figur scheint auseinandergezogen.)

Wie können sie koexistieren…
wenn jede in eine andere Richtung zieht?

Ein Teil von mir schreit:
„Ohne mich verschwinden die anderen.
Was ist Existenz ohne Blick?
Ohne Stimme? Ohne Spur?
Ich bin Gegenwart, und ohne mich… erlischt alles.“

Doch eine andere entgegnet, ruhig, fast müde:
„Und wenn es nie Leere gäbe?
Kein Schweigen?
Wohin mit dem Geheimnis, der Ruhe, dem Warten?
Ich bin Abwesenheit, und ich öffne die Räume… damit der andere Platz hat.“

Schon erhebt sich eine Stimme, scharf, empört:
„Ihr redet von Frieden, doch die Welt schläft!
Ich will rütteln, brechen, aufwecken.
Ich bin der Widerstand, und ich habe genug von Kompromissen.
Genug vom bequemen Schweigen.“

Und doch… eine sanfte, ruhige Stimme bleibt da,
unbeweglich im Zentrum des Tumults:
„Vielleicht hat jeder seinen Platz.
Vielleicht liegt die Wahrheit nicht im Kampf,
sondern in der zerbrechlichen Harmonie unserer Impulse.
Ich bin Existenz,
und ich kann Gegenwart, Abwesenheit und Revolte tragen…
ohne aufzuhören zu sein.“

Und ich wanke…
Zwischen all diesen Stimmen, die meine sind.
Wer bin ich, wirklich?


Szene 4: Die Prüfung
(Das Licht flackert. Ein Unbehagen macht sich breit. Der Atem wird schwer.)

Ich glaubte, ich könnte sie zusammenhalten.
Doch nun gerät alles aus dem Gleichgewicht…

Manchmal dränge ich mich auf.
Ich nehme allen Raum ein.
Ich spreche zu laut.
Man meidet mich. Man weicht mir aus.
Meine Gegenwart wird erdrückend.

Manchmal verschwinde ich.
Zu lange.
Und man denkt, ich sei vergessen, ich sei tot.
Ich bin Abwesenheit, aber man nennt mich Flucht,
als hätte ich verraten.

Manchmal kämpfe ich.
Für Gerechtigkeit.
Für Wahrheit.
Aber ich bleibe allein.
Selbst die, die ich liebe, wenden sich ab.
Mein Widerstand wird zu Gewalt…

Und dann…
erinnere ich mich an diese ruhige Stimme,
immer da, selbst im Sturm:
„Du bist niemals allein.
Ich bin der Raum zwischen euch.
Ich bin Existenz.
Und ich trage euch alle.“


Szene 5: Die Versöhnung
(Das Licht wird weicher. Ein Atemzug der Erleichterung. Die Figur scheint ruhiger, gesammelter.)

Ich kann nicht wählen.
Denn ohne die anderen
verwelkt jede dieser Stimmen.

Meine Gegenwart ohne Abwesenheit ist ein leerer Schrei.
Mein Widerstand ohne Existenz ein Feuer ohne Boden.
Und mein Schweigen ohne Gegenwart… ein Vergessen.

Ich brauche euch.
Alle.

Ich will eine Welt, in der jede Kraft eine Stimme hat.
Eine Welt, in der ich leuchten, mich zurückziehen, kämpfen
und einfach… sein darf.

Also gehe ich, mit vier Stimmen.
Mit vier Teilen.
Auf mich selbst zu.


EPILOG
(Letzter Atemzug. Die Figur steht aufrecht, der Blick dem Publikum zugewandt.

Sie denkt noch, aber es ist, als spräche sie nun direkt zu uns.)

In mir leben vier Kräfte.
Die Kraft, mich zu zeigen.
Die Kraft, zu verschwinden.
Die Kraft, zu widerstehen.
Und die… einfach zu leben.

Sie widersprechen sich nicht.
Sie tanzen.
Sie bilden mich.

Und du…
Welche bist du heute?


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