Das LABO-STYLOCULTURE ist ein Raum für Forschung und kreative Praxis, der Kunst, Sprache und Spiritualität miteinander verbindet, um afrikanische Kulturen zu würdigen und den Dialog zwischen den Völkern zu fördern. Seine Arbeitsweise kombiniert Kugelschreiber-Zeichnungen, Sprachunterricht und eine interdisziplinäre Erforschung von Wissen. Ziel ist es, das Bewusstsein zu schärfen, originelle pädagogische Werkzeuge zu vermitteln und kulturelle Verbindungen auf internationaler Ebene zu knüpfen.

Aus dem Venedig Afrikas nach Schwerin: Papa Oumar Fall
Schwerin / Lesedauer: 5 min

Oumar Fall kam 2009 aus dem Senegal nach Deutschland. (Foto: Claus Oellerking)
Menschen aus rund 100 Nationen leben in Schwerin und Umgebung. 100 stellten wir bereits vor. Dies ist Nummer 101. Papa Oumar Fall ist ein Mann mit vielen Talenten.
Veröffentlicht: 07.06.2025, 12:00
Von: Claus Oellerking
Es ist mitten in der Nacht. 02:28 Uhr und am Großen Moor brennt im dritten Stock noch Licht. „Ich habe keinen Fernseher“, sagt Papa Oumar Fall (52). „Nachts male ich oder ich schreibe“. Und wer Oumar Fall in seiner Wohnung besucht, besucht zugleich sein Atelier. Farbenfrohe Bilder auf Staffeleien und an der Wand. Kleine Skulpturen und viele Bücher.
Von der Universität ins Amazon-Logistikzentrum
Als Oumar Fall 2009 aus dem Senegal nach Deutschland kam, hat er seinen Abschluss an der Université Cheikh Anta Diop de Dakar, das Diplome d’études approfondies in Linguisitk, bereits ein paar Jahre in der Tasche und im Bereich der Sprachwissenschaft gearbeitet. Nach seiner Rückkehr von der 42.ACAL-Konferenz über Afrikanische Sprachen in den USA bekam er Schwierigkeiten mit der Universität Dakar aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeit zur linguistischen Klassifikation von Sprachen. „Meine Doktorarbeit durfte ich nicht fortsetzen und plötzlich stand ich ohne Universität da“, erinnert er sich.
Zunächst erhält Oumar Fall ein DAAD-Stipendium zur Fortsetzung seiner Promotion. Eines Tages informierte ihn sein Doktorvater, Professor Dr. Raimund Kastenholz an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, dass er keine finanziellen Mittel für die Fortsetzung der Dissertation bereitstellen könne. Er schlug vor, dass Oumar Fall ein Linguistik-Seminar für 500 Euro anbieten könne. „Ich bin ein sparsamer Mensch, aber die 500 Euro im Monat waren nicht genug zum Leben“, erinnert er sich. Und so landet er in einem Amazon-Logistikzentrum, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen: Es ist eine der vielen Stationen in seinem Leben.
„Ich bin in Saint-Louis an der nordwestlichen Küste Senegals aufgewachsen. Saint-Louis gilt als das Venedig Afrikas und die „Ile de Saint-Lous“ gehört seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe. Dies und das viele Wasser haben Schwerin und Saint-Lous gemeinsam“, so Oumar Fall, der nach vielen Stationen im Sommer 2024 als Lehrer für Französisch in der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern gelandet ist.
„Ich verstehe, wenn Schüler im Unterricht auch mal nerven“
Als Oumar acht Jahre alt war, entschieden sich seine Eltern, nach Dakar, in die Hauptstadt des Senegal, zu ziehen. Sein Vater war Lehrer und Schulleiter. Seine Mutter hatte einen Laden und trieb Handel mit allen möglichen Dingen des täglichen Lebens. „Ich blieb noch ein Jahr bei meiner Oma und meinem Opa in Saint-Louis und wechselte dann nach Mermoz in Dakar in die 5. Klasse. Ein sehr guter Schüler war ich nie, ich habe vieles immer sehr schnell verstanden und gelernt. Aber dann habe ich mich gelangweilt und mit dem Zeichnen begonnen. Am Anfang mit dem Kugelschreiber. Es sind wirklich viele Bilder geworden“, schmunzelt er vielsagend. „Heute verstehe ich gut, wenn Schüler, die eine schnelle Auffassungsgabe haben, sich langweilen und im Unterricht vielleicht auch mal nerven. Sie sind meistens nicht faul und die Lehrkräfte müssen darauf angemessen reagieren“.

Kunstwerk von Papa Oumar Fall
Seine Lieblingsfächer waren Französisch, Englisch, Geschichte, Geografie und auch Kunst. In den naturwissenschaftlichen Fächern konnte er den Versuchen und Experimenten oft nicht gut folgen. Erst spät realisierte man, dass der junge Oumar Fall sehr stark kurzsichtig war, also alles in der Nähe sehr gut und in der Ferne nur unscharf sehen konnte. Seine erste Brille bekam er mit elf Jahren. Sie hatte eine Stärke von minus 11 Dioptrien.
Nach dem Abitur und der ersten Ausstellung seiner Bilder wäre Oumar Fall am liebsten an die Kunsthochschule gegangen. „Ausgerechnet in dem Jahr haben sie an der „Ecole Nationale des Arts“ überhaupt keine neuen Studenten aufgenommen. Ich war wirklich traurig. Aber weil ich im Abitur auch gut in den Sprachen Französisch und Englisch war, habe ich dann Linguistik studiert und die Kunst zu meinem Hobby gemacht.
Es stört ihn, dass viele Inhalte im Studium an den Interessen und der Geschichte Europas, insbesondere der einstigen Kolonialmacht Frankreichs, ausgerichtet sind. Afrikanische, senegalesische Sichtweisen kommen kaum vor. Seine Antwort: Er schreibt eine Grammatik für die sehr seltene westafrikanische Sprache Kelaala. Papa Oumar Fall ist ein streitbarer Mensch.

Kunstwerk von Papa Oumar Fall
Es stört ihn, dass viele Inhalte im Studium an den Interessen und der Geschichte Europas, insbesondere der einstigen Kolonialmacht Frankreichs, ausgerichtet sind. Afrikanische, senegalesische Sichtweisen kommen kaum vor. Seine Antwort: Er schreibt eine Grammatik für die sehr seltene westafrikanische Sprache Kelaala. Papa Oumar Fall ist ein streitbarer Mensch.
Papa Oumar Fall unterrichtet und hält Vorträge
In Deutschland schlägt er den Weg des Lehrers ein. Drei Semester lang paukt er in Stuttgart die Waldorfpädagogik „Das war eine harte Zeit. Mit einem Stipendium hat es nicht geklappt. Da habe ich lange Zeit nur Fisch aus der Dose und Couscous gegessen“, lacht er herzlich.
Er qualifiziert sich zur Fachkraft für kulturelle Bildung, unterrichtet Französisch und Kunst in Wiesbaden, Kaltenkirchen, Köln, hält Vorträge in den USA und Workshops in Kanada und stellt vielfältige Projekte im Senegal, in Deutschland und Belgien auf die Beine. „Ich versuche Brücken zu bauen zwischen Ländern, Kulturen, Sprachen, zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart und letztlich zwischen Menschen.“ In Schwerin ist Oumar Fall beim Dreescher Stadtteilfest am 21. Juni 2025 auf der Wiese am Fernsehturm dabei.
Viele Berufe und fünf Sprachen
Papa Oumar Fall passt in keine Schublade. „Als Ausländer habe ich vieles erlebt. Dabei bin ich nicht etwa ein Opfer, sondern auch ein Impulsgeber für Veränderungen. Ich bin zugleich Senegalese und deutscher Staatsbürger“. Der Sprachwissenschaftler spricht fünf Sprachen, ist Künstler, Maler, Dichter, Pädagoge, Fachkraft für interkulturelle Bildung, Autor und er ist ein Reisender. Auf seiner Lebensreise hat er nun für eine Weile in Schwerin Station gemacht.
Wohin geht es als nächstes? Und wie geht es mit seiner Kunst, mit seinen Bildern weiter? „Vielleicht nach Hamburg. Ich würde die Bilder eines Tages gerne an Orten wie New York und Tokio ausstellen, aber damit warte ich noch.“ Bis es so weit ist, wird seine Wohnung wohl auch sein Atelier sein.
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